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Landschaftsarchitektur und Entwerfen


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Sommer 2020

WAHLPFLICHT Entwerfen / Unterwerfen

Thema und Anlass

Falls Entwerfen das Gegenteil von Unterwerfen ist, befinden wir – als entwerfende Landschaftsarchitekten*innen – uns in einem Dilemma. Entwerfen wird oftmals mit Freiheit, Modernisierung oder Fortschritt beschrieben; Unterwerfung mit Unterdrückung und Abhängigkeit gleichgesetzt. Aber: „Emanzipiert und gebunden sein, sind zwei Verkörperungen desselben Ereignisses“, schreibt Bruno Latour. Demnach entwirft und unterwirft jede Gestaltung zugleich.

Friedrich von Borries fordert in seinem Pamphlet „Weltenentwerfen“ sogar eine politische Haltung zur Gestaltung. Er behauptet, dass der Mensch regelrecht gezwungen ist seine Lebensumwelt zu gestalten. Wenn dabei Handlungsoptionen reduziert werden, haben wir es mit Unterwerfung zu tun. Design schafft für von Borries Freiheit und ermöglicht Handlungen, die zuvor nicht denkbar waren. Wie viel Unterwerfung braucht ein Entwurf? Und welche Qualitäten muss also ein „guter“ Entwurf aufweisen, um nicht zu unterwerfen? Wie lassen sich beide Narrative des Entwerfens und Unterwerfens auf die Landschaftsarchitektur anwenden?

Das Seminar richtet sich an Studierende mit Interesse an einer theoretischen Sichtweise auf das Entwerfen. Der Einblick in die zeitgenössische Positionen ist diskursiv gestaltet. Zeitgleich wird ein greifbarer Zugang zum wissenschaftlichen Arbeiten gewährt, der für die bevorstehende Bachelor- oder Masterarbeit sehr von Nutzen sein kann. Dazu gehören Hilfestellungen zur Recherche, Entwicklung einer Fragestellung mit dem schlüssigen Aufbau einer Argumentationsstruktur bis zum Fazit.

Wir werden Schlüsseltexte lesen, die den Prozess des Entwerfens und das Produkt dessen geisteswissenschaftlich hinterfragen. Da wir keine ausgebildeten Geisteswissenschaftler*innen sind, werden wir uns die Themen aus dem eigenen Blickwinkel – dem des praktizierenden Entwerfenden
– aneignen. Wir werden gemeinsam daran arbeiten verschiedene Denkgerüste zu verstehen, die Argumente aufzunehmen, und sie im besten Fall in einen Dialog zu setzten. Der erreichte Diskurs soll nicht abstrakt bleiben, sondern einen Erkenntnisgewinn für das eigene Arbeiten anregen.

Organisation

Die Veranstaltung findet wöchentlich Dienstag von 10 00 bis 12 00 Uhr, teilweise bis 13 00 Uhr
statt. Auf Grund der Corona-Pandemie und der voraussichtlich andauernden eingeschränkten Versammlungsmöglichkeit ist das Seminars in digitale Diskussionsforen verlagert. Die Form des Diskurses und die Abgabeleistungen sind der Situation angepasst – möglicherweise ein Beispiel wie aus einer Unterwerfung ein Entwurf werden kann.

Die Abgabeleistung des Seminars ist eine wissenschaftliche Ausarbeitung (in Zweierteams) sowie das Führen kurzer Interviews für eine gemeinsame Podcast-Anthologie.

Martin Schmitz